Manisch-depressive Erkrankung/Bipolare Störung

 

Was ist eine Bipolare Erkrankung?

Bipolare Störungen sind schwere chronisch verlaufende psychische Erkrankungen, die durch manische und depressive Stimmungsschwankungen charakterisiert sind. Die Manie stellt sich als übersteigertes Hochgefühl dar und die Betroffenen sind gleichzeitig meist überaktiv, euphorisch oder gereizt. Auf diese Phase folgen mehr oder weniger ausgeprägte Depressionen, mit gedrückter Stimmung, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Die Stimmungsschwankungen treten episodisch und unabhängig von der augenblicklichen Lebenssituation auf. Handelt es sich bei den Stimmungsschwankungen um Persönlichkeitseigenschaften ohne schwerwiegende Folgen für den Betroffenen und die Umgebung, spricht man von „Zyklothymie“. Sind diese Phasen jedoch schwerer ausgeprägt, d.h. es wechseln längere Phasen von Depression mit manischen Phasen mit Hochstimmung, deutlich gesteigertem Tatendrang und Gereiztheit, die negative Folgen für den oder die Betreffenden haben, spricht man von manisch-depressiver Erkrankung. Man schätzt, dass etwa 1 bis 3 % der Bevölkerung betroffen sind. Frauen und Männer erkranken jeweils gleich häufig. Viele Patienten erleben ihre erste Krankheitsepisode um das 18. Lebensjahr herum, doch meist wird die Störung erst später erkannt. Die Ursachen der Erkrankung sind nicht vollständig geklärt. Erbliche Veranlagung und äußere Einflüsse wie belastende Ereignisse scheinen eine gewisse Rolle zu spielen. Überdurchschnittlich viele kreative Menschen leiden an einer bipolaren Erkrankung.

Ursachen

Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass bipolare Störungen Hirnerkrankungen sind. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Hirnmetabolismus und die Hirn-Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und GABA abnormal funktionieren. Auch wenn eine bipolare Störung selbst offenbar nicht vererbt werden kann, so wird zumindest die Anfälligkeit für solch eine Erkrankung von Generation zu Generation weitergegeben. Belastende Lebensereignisse können dann zum Ausbruch der Krankheit führen. Forschungen haben gezeigt, dass ein Kind mit einem erkrankten Elternteil ein Risiko von 10 bis 20% trägt. Sind beide Eltern betroffen, so steigt das Risiko für das Kind sogar auf 50 bis 60%. Durch bildgebende Verfahren wurde bei Betroffenen während einer Krankheitsepisode eine veränderte Aktivität des so genannten limbischen Systems im Gehirn festgestellt. Das limbische System ist für das Empfinden und Verarbeiten von Gefühlen mit verantwortlich. Die veränderte Aktivität bei der Verarbeitung von Gefühlen erklärt, warum oft belastende Ereignisse einer bipolaren Erkrankung vorausgehen. Offenbar spielt bei bipolaren Erkrankungen auch die Jahreszeit eine gewisse Rolle. Statistisch gesehen treten im Sommer häufiger manische Episoden auf, während es im Herbst vermehrt zu depressiven Episoden kommt. Gründe für diese jahreszeitlichen Schwankungen sind bisher nicht bekannt, der Einfluss des Lichtes und des Serotonin-Stoffwechsels scheinen dabei eine Rolle zu spielen.

Anzeichen

Im Vordergrund der bipolaren Erkrankung kann einerseits die Manie, andererseits auch die Depression stehen. Die Diagnose lässt sich meist erst im Verlauf stellen, wenn beide Stimmungsextreme beobachtet wurden. In der Manie bedeutet das: Der Betroffene fühlt sich voller Energie, die Stimmung ist gehoben, oft bei vielen jedoch auch sehr gereizt, er schläft meist nur noch 4 – 5 Stunden, fühlt sich aber trotzdem voller Energie. Er redet wie ein Wasserfall, ist sprunghaft und unkonzentriert, überschätzt sich selbst bis hin zum Größenwahn. Alles ist übersteigert: Gesprächigkeit, Geselligkeit, Geldausgaben. Auf die manische Phase kann die Depression entweder direkt als depressive „Nachschwankung“ oder auch später als einzelne Episode folgen. Die Betroffenen sind dann energie- und antriebslos, fühlen sich unfähig und wertlos. Sie verlieren ihr Interesse und können sich zu nichts mehr aufraffen. Häufig sind sie nicht mal mehr traurig, sie empfinden einfach gar nichts. Auch das umgekehrte Erscheinen kann vorkommen: Beginn mit einer Depression mit manischer Nachschwankung oder isoliert davon auftretend eine manische Phase. Sehr selten gibt es das reine Auftreten ausschließlich manischer Phasen.

Kranheitsbild

Bei einer bipolaren Erkrankung schwanken die Betroffenen zwischen Phasen von Manie, in denen sie überaktiv, euphorisch oder gereizt sind. Dazwischen können Phasen weniger stark ausgeprägter Manien (Hypomanie) oder Depressionen liegen. 20 bis 60% der Erkrankten erleben neben den depressiven und manischen Polen auch so genannte Mischzustände, bei denen sowohl Symptome der Depression als auch der Manie auftreten. Bipolare Erkrankungen können individuell recht unterschiedliche Formen und Verläufe haben. Darum ist das Krankheitsbild nicht immer klar zuzuordnen und zu erkennen. Besonders ausgeprägt und schwerwiegend sind bipolare Erkrankungen, wenn psychotische Symptome auftreten, d.h. der Patient, die Patientin nimmt wegen einer Störung des Realitätssinnes sich und die Umwelt verzerrt wahr. Sie kommen häufiger bei Manien als bei Depressionen vor. Über zwei Drittel aller Patienten mit Manien zeigen einzelne psychotische Symptome, darunter grenzenlose Selbstüberschätzung, Verfolgungswahn, Wahngedanken und Halluzinationen. In der folgenden Tabelle sind mögliche Symptome einer manischen und einer depressiven Episode zusammengefasst und gegenübergestellt: Symptome bipolarer Episoden



Manie   Depression
     
Stimmungshoch oder gereizte Stimmung Schwermut, niedergedrückte Stimmung
Emotionale Erregung mit Euphorie oder Gereiztheit   Gehemmte Emotionen, Gefühl der Gefühllosigkeit, Ängste, Pessimismus
Beschleunigung von Denken, Sprache, Motorik und Handeln   Verlangsamung und Hemmung von Denken, Sprache, Motorik und Handeln
vermehrtes Risikoverhalten und Kontaktbedürfnis, Impulsivität, Abbau sozialer Hemmungen, Aggressivität, Leichtsinn   Rückzugsverhalten
übertriebene Unternehmungslust   Interessenverlust, Freud- und Motivationslosigkeit
Antriebssteigerung, Energieüberschuss, Beschäftigungsdrang   Antriebsmangel, verminderte Vitalität, Energielosigkeit, körperliche Missbefindlichkeit, Libidoverlust
vermehrte Kreativität   Ideenlosigkeit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
vermindertes Schlafbedürfnis   Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis, Früherwachen, Unausgeruhtheit nach dem Nachtschlaf, Morgentief
gesteigertes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl   Selbstzweifel, Schuldgefühle, Insuffizienzgefühle, Mutlosigkeit, Lebensüberdruss, Selbstmordgedanken


Bei einigen Patienten lassen sich in ihrer manischen Phase statt der Euphorie auch Reizbarkeit und Misstrauen beobachten. Bei einer Hypomanie treten - meist nur für wenige Tage - die gleichen Symptome auf wie bei einer Manie, allerdings wesentlich schwächer ausgeprägt. Der Betroffene ist noch in der Lage, die Realität und seine persönliche Situation zu erfassen. Eine Hypomanie kann als kurze und vorübergehende Steigerung der normalen Stimmungslage auftreten, sie kann aber auch Vorbote einer ausgeprägten Manie sein. In der Regel ist es erforderlich, auch bei einer Hypomanie so schnell wie möglich therapeutisch einzugreifen, da sie oft der Anfang einer Manie ist und meistens nach einer Manie wieder eine Depression folgt. Doch in den meisten Fällen kommen die Betroffenen in der manischen Phase nicht zum Arzt oder zur Ärztin. Sie fühlen sich nicht krank. Der Hinweis eines anderen auf ihre offensichtlich problematische Stimmungslage kann zu Aggressivität und hartnäckiger Verleugnung führen. Besonders, wenn jemand vorher unter einer depressiven Phase gelitten hat, kann die Manie von ihm verständlicherweise wie eine Befreiung aufgenommen werden.

Verlaufsformen

Je nach Art und Schwere der bipolaren Erkrankung werden verschiedene Formen unterschieden. Sowohl die Behandlungsstrategie, als auch die Wahl eines geeigneten Medikamentes hängen davon ab, unter welcher Form der bipolaren Störung ein Mensch leidet. 1. Bipolar-I-Störung Bei der Bipolar-I-Störung treten sowohl manische als auch depressive Episoden auf. Die depressive Phase dauert mindestens 14 Tage und die manische Episode hält mindestens 7 Tage an und ist häufig stark ausgeprägt und führt zu negativen Folgen (Schulden, Eheprobleme, etc). Von dieser Form der bipolaren Erkrankung sind Frauen und Männer gleich häufig betroffen. Sie kommt schätzungsweise bei 1 bis 2% der Bevölkerung vor. 2. Bipolar-II-Störung Die Bipolar-II-Störung ist gekennzeichnet durch depressive Episoden und mindestens eine hypomanische Phase, die mindestens 4 Tage dauert. Mit einem Vorkommen von 2-4% in der Bevölkerung tritt die Bipolar-II-Störung recht häufig auf. 3. Rapid Cycling Von „Rapid Cycling“ spricht man, wenn innerhalb von zwölf Monaten mindestens vier oder mehr Episoden der Manie, der Hypomanie oder der Depression auftreten. Es kann auch zu gemischten Episoden kommen. Nur 20% der Patienten zeigen von Beginn an ein Rapid Cycling, die hohe Frequenz entwickelt sich oft erst im späteren Verlauf. Rapid Cycling ist oft eine komplizierte Form der Erkrankung, einige Patienten neigen auch in den episodenfreien Intervallen zu Stimmungslabilität und Anpassungsproblemen. Insgesamt weisen 15 bis 20% der Patienten mit bipolarer Erkrankung ein Rapid Cycling auf. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.

Auswirkungen

Eine Bipolare Erkrankung bedeutet nicht nur, dass die Stimmung des Patienten beeinträchtigt ist. Das Fühlen, Denken und Handeln sind ebenso betroffen wie die Fähigkeit zur täglichen Lebensbewältigung – je nach Verlaufsform teilweise selbst in den episodenfreien Intervallen. Menschen mit bipolaren Erkrankungen sind krank – sie haben weder etwas falsch gemacht, noch eine schwache Persönlichkeit. Dennoch ist die Akzeptanz des sozialen Umfeldes nicht immer gegeben. Rückzug des Freundeskreises, Partnerschaftskonflikte bis hin zur Trennung sowie Probleme im Job bis hin zum Arbeitsplatzverlust können die Folge sein. Hinzu kommen die Schamgefühle der Betroffenen, der oder die oft immer weiter in die soziale Isolation gerät. Bipolare Erkrankungen verringern die Lebensqualität der Betroffenen. Hinzu kommen eine erhöhte Selbstmordgefährdung (die Suizidhäufigkeit liegt – auf das ganze Leben bezogen - bei 15 bis 30%) und ein verstärktes Suchtrisiko (speziell Alkohol, Medikamente, Drogen).

Diagnostik

Die richtige Diagnose kann nur durch eine umfangreiche Befragung der Betroffenen und im Idealfall der nächsten Angehörigen gestellt werden. Der Erkrankte muss jedoch dazu bereit sein. Wichtig für den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist es, neben den aktuellen Beschwerden auch die Stimmungsschwankungen zu kennen, die in der Vergangenheit aufgetreten sind. Schließlich muss geklärt werden, ob eine familiäre Belastung vorliegt. Tritt im Krankheitsverlauf zuerst eine Depression auf, kann zunächst nicht entschieden werden, ob es sich um eine unipolare („einseitige“) oder bipolare Depression handelt. Hinzu kommt, dass die Anzeichen einer Hypomanie vom Patienten teilweise nicht wahrgenommen werden. Einige Merkmale weisen aber auf eine bipolare Störung hin: Bei bipolaren Depressionen leiden die Erkrankten häufiger unter Energieverlust, vermehrtem Schlafbedürfnis und gesteigertem Appetit als bei einer unipolaren Depression. Außerdem sind die Betroffenen einer bipolaren Erkrankung im Durchschnitt jünger (ca. 16 bis 18 Jahre), wenn die erste Depression auftritt. Etwa ein Fünftel der Patienten mit der Diagnose „unipolare Depression“ durchlaufen innerhalb der folgenden Jahre eine Manie und erfüllen dann die Diagnose einer bipolaren Störung. Für eine sichere Diagnose muss der Betroffene auch körperlich untersucht werden, um so andere Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik ausschließen zu können. Zu den Ausschlussdiagnosen gehören u.a. psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und auch - bei entsprechendem Verdacht – organische Ursachen wie Epilepsie, Hirntumore, Schilddrüsenerkrankungen, die Hormonstörung Cushing-Syndrom, HIV, Drogen- oder Medikamentensucht, Migräne, Demenz, Parkinson sowie die Nebennieren-Erkrankung Morbus Addison. Die frühe Diagnose ist für einen positiven Verlauf der bipolaren Erkrankung sehr wichtig. Je weniger Krankheitsepisoden bis zum Beginn einer entsprechenden Therapie stattgefunden haben, desto besser spricht der Betroffene in der Regel auf die Behandlung an. Außerdem kann durch einen frühen Behandlungsbeginn vermieden werden, dass es zu einem chronischen Verlauf mit schweren gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen kommt.

Therapie

Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt und konsequent behandelt, können die Krankheitsepisoden hinausgezögert oder sogar ganz vermieden werden. Durch die modernen Behandlungsmethoden können zwar die Symptome der Krankheit wirkungsvoll bekämpft und der Verlauf deutlich gebessert werden, es ist jedoch nicht möglich, die Ursachen zu beseitigen. Das wiederum bedeutet: Bipolare Störungen sind chronische Erkrankungen, die eine lebenslange Behandlung erfordern. Nur wenn das den Betroffenen und ihren Angehörigen klar ist, kann die Therapie dauerhaft und wirkungsvoll durchgeführt und die Lebensqualität entscheidend gebessert werden. Die Behandlung der bipolaren Erkrankung ist je nachdem, in welcher Phase der Erkrankung der Betroffene sich befindet, unterschiedlichen Zielen unterworfen. Man unterscheidet dabei: Akut-Therapie Mit wachsendem Wissensstand zur Behandlung Bipolarer Störungen, und des damit verbundenen Erkennens der Komplexität der Erkrankung, ist immer deutlicher geworden, wie wichtig es ist, die Akutbehandlung bereits unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls notwendigen medikamentösen Therapie (Stimmungsstabilisierer) zu gestalten. Die Akut-Therapie beginnt, sobald eine akute Krankheitsphase auftritt. Die Akut-Therapie wird so lange fortgesetzt, bis sich die akuten Symptome deutlich gebessert haben. Je nach Schwere und Art der Symptome werden verschiedene Medikamente und nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren angewendet. Erhaltungs-Therapie Sie schließt sich an die Akut-Therapie an und soll den Zustand des Betroffenen so weit stabilisieren, dass es nicht zu einem direkten Rückfall kommt. Ziel ist es, diesen stabilen Zustand für mindestens sechs bis 12 Monate zu halten. Hierzu wird eine Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung angewendet. Rückfall-Prophylaxe Sie beginnt, sobald sich die Stimmungslage des Betroffenen wieder normalisiert hat und soll langfristig verhindern, dass es zu einer erneuten akuten Krankheitsepisode kommt. Wie lange die Rückfall-Prophylaxe durchgeführt wird, hängt von der Anzahl der Phasen ab. Bei drei oder mehr Phasen innerhalb von 5 Jahren ist eine Dauerbehandlung mit Medikamenten zur Verhinderung erneuter Phasen angezeigt. Medikamentöse Therapie Bei bipolaren Erkrankungen zeigt jeder Betroffene sein eigenes Spektrum an Symptomen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Deshalb ist es wichtig, die Medikamente immer individuell zusammenzustellen. Heute werden hauptsächlich drei Gruppen von Medikamenten eingesetzt, die Stimmungsstabilisierer, Antidepressiva und atypische Antipsychotika. Diese Medikamente, die auf das zentrale Nervensystem einwirken und psychische Funktionen beeinflussen, entfalten ihre volle Wirkung erst nach einigen Wochen. Deshalb bessern sich die Symptome auch nicht sofort. Daher müssen die Medikamente entsprechend der ärztlichen Empfehlung auch dann weiter pünktlich eingenommen werden, wenn sich noch keine Wirkung eingestellt hat. Stimmungsstabilisierer Die Stimmungsstabilisierer werden in der Regel in allen drei Behandlungsphasen (Akut-Therapie, Erhaltungs-Therapie, Rückfall-Prophylaxe) eingesetzt. Sie gleichen übermäßige Stimmungsschwankungen sowohl in einer manischen, als auch in einer depressiven Erkrankungsepisode aus. Diese Wirkung können sie sowohl akut, als auch langfristig entfalten. Dabei wird die vorherrschende Stimmung stabilisiert, ohne dass eine entgegensetzte Episode ausgelöst wird. Diese Eigenschaften machen Stimmungsstabilisierer zu einer wichtigen Behandlungsoption bei der Therapie Bipolarer Störungen, die auch in Phasen relativer Stabilität zur Vorbeugung eines Rückfalls eingesetzt werden. Gerade in dieser Zeit ist die Einnahme wichtig, um erneuten Krankheitsepisoden vorzubeugen. Zu ihnen gehören Lithiumsalze und so genannte Antikonvulsiva (vor allem Valproat, aber auch Lamotrigin und Carbamazepin). Die Wahl des Wirkstoffs ist vor allem abhängig von der Art der bipolaren Erkrankung, der Verträglichkeit und möglicher Begleiterkrankungen. Lithiumsalze verhindern in bis zu 80% das Wiederauftreten manischer und depressiver Episoden, zumindest schwächen sie die Symptomatik deutlich ab. Bei den Lithiumsalzen kommt es auf eine regelmäßige und exakte Einnahme an, damit sie richtig wirken und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hervorrufen. Lithium reduziert die Suizid-Wahrscheinlichkeit um 80%, selbst wenn es zu keiner Symptomverbesserung kommt, während andere Medikamente nur indirekt (d.h. über die Verbesserung der depressiven Symptome) anti-suizidal wirken. Bei den Antikonvulsiva ist die Gefahr einer Überdosierung geringer. Während der Einnahme von Stimmungsstabilisierern sollten generell regelmäßig ärztliche Kontrollen durchgeführt werden. Medikamente zur Behandlung akuter depressiver und manischer Phasen In der depressiven Akutphase haben sich Quetiapin und die Kombination mit Antidepressiva als wirksam erwiesen. In der manischen Akutphasen muss der Stimmungsstabilisierer oft mit einem atypischen Antipsychotikum (z.B. Risperidon, Olanzapin, Aripiprazol) kombiniert werden, um eine ausreichende anti-manische Wirkung zu erzielen. Bei Unruhe, aggressiven Impulsen und Angstzuständen können vorübergehend Sedativa (z.B. Diazepam, Lorazepam, Alprazolam) eingesetzt werden. Psychotherapie Psychotherapeutische Verfahren werden bei der Behandlung von bipolaren Erkrankungen mit Erfolg eingesetzt. Sie sind bei Bipolaren Störungen im Regelfall als Ergänzung und nicht als Alternative zur medikamentösen Therapie (Psychopharmakotherapie) anzusehen. Mit Hilfe der Psychotherapie lernt der Betroffene, mit seiner Erkrankung umzugehen, den Alltag und belastende Ereignisse besser zu bewältigen, seine zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern und Rückfällen vorzubeugen. Er wird selbstsicherer und damit auch zuverlässiger was zum Beispiel die Medikamenteneinnahme angeht. Unter den verschiedenen Therapieformen, die bei bipolaren Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden können, muss der Psychiater, die Psychiaterin die geeignete für seinen Patienten finden. Besonders wirksam bei der bipolaren Erkrankung sind die kognitive Verhaltenstherapie, Familientherapien und die soziale Rhythmustherapie. Psychoedukation und der Einbezug von Angehörigen sollten zu jeder Behandlung dazugehören. Weitere Verfahren Elektrokrampftherapie (EKT) Bei der EKT wird im Gehirn durch einen schwachen Stromimpuls ein Krampfanfall ausgelöst. Der Anfall dauert normalerweise etwa 20 bis 40 Sekunden und löst sich dann auf. Die Therapie wird in Vollnarkose durchgeführt, die Betroffenen merken deshalb nichts von dem Anfall. Durch diesen Anfall wird die Stimmungslage des Betroffenen normalisiert, der genaue Mechanismus ist derzeit unklar. Die EKT ist kurzfristig eine sehr wirksame Methode zur Behandlung schwerer depressiver und manischer Krankheitsepisoden (Erfolgsquote: 80%). Sie wird angewendet, wenn die medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung nicht anschlägt oder eine Medikamentengabe nicht möglich ist. Allerdings kann die EKT nur bei Patienten mit guter körperlicher Verfassung durchgeführt werden. Nach der Elektrokrampftherapie müssen die Betroffenen – wenn möglich - zur Vorbeugung eines Rückfalls entsprechende Medikamente einnehmen. Wachtherapie/Schlafentzug Die Wachtherapie wird bei der Akutbehandlung einer schweren depressiven Episode erfolgreich eingesetzt, speziell bei starken Tagesschwankungen. Etwa 50 bis 60% der Betroffenen zeigen eine deutliche Besserung der Symptome - allerdings oft nur für kurze Zeit. Deswegen sollte gleichzeitig mit dem Schlafentzug auch eine medikamentöse Therapie mit Stimmungsstabilisierern und Antidepressiva erfolgen. Beim Schlafentzug unterscheidet man zwischen dem totalen Schlafentzug (vom Morgen des 1. Tages bis zum Abend des 2. Tages, 40 Stunden) und dem partiellen Schlafentzug (von 1.00 Uhr morgens bis zum nächsten Abend). Beide Formen wirken antidepressiv, letztere ist weniger belastend für die Betroffenen. Der Schlafentzug kann, je nach Schwere der Symptomatik und Wirksamkeit, ein bis zwei Mal in der Woche wiederholt werden.

Prognose und Verlauf

Wie unterschiedlich eine bipolare Störung von Patient zu Patient auch sein mag, sie verläuft immer in Phasen oder Episoden, in denen eine bestimmte Stimmungslage vorherrscht (manisch oder depressiv). Die einzelnen Phasen kommen und gehen oft in unregelmäßigen Abständen. Im Durchschnitt halten die depressiven Phasen ohne Behandlung etwa vier bis zwölf Monate an, die mansichen Phasen sind deutlich kürzer. Gelegentlich gehen manische oder depressive Episoden ineinander über oder treten sogar gleichzeitig auf (gemischte Phase). Zwischen den akuten Krankheitsepisoden gibt es je nach Verlaufsform mehr oder weniger lange Zeitabschnitte, in denen die Betroffenen keinerlei Beschwerden haben. Suizidversuche und Suizide ereignen sich fast immer in oder unmittelbar nach depressiven oder gemischten Phasen. Psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen weisen auf einen ungünstigen Verlauf der bipolaren Erkrankung hin: Die Betroffenen erleiden zwei- bis dreimal häufiger Rückfälle als bipolar Erkrankte ohne psychotische Symptome und entwickeln zu etwa zwei Dritteln bei der nächsten Manie wieder psychotische Anzeichen. Bei einem Rapid Cycling-Verlauf ist die Langzeitprognose häufig schlecht, da die instabile Stimmungslage oft auch zwischen den Phasen erhalten bleibt. Die Betroffenen haben daher starke Probleme mit der Alltagsbewältigung. Mit einer individuell angepassten Therapie gewinnen die meisten Patienten mit bipolarer Erkrankung an Lebensqualität zurück.

Informationen für Angehörige

Die Rolle der Angehörigen bei der bipolaren Erkrankung ist sehr groß. Der Betroffene braucht eine Vertrauensperson, die den Verlauf seiner Krankheit überwacht und ihn ermutigt, sich in Behandlung zu begeben und sich aktiv und konsequent an der Therapie zu beteiligen. Angehörige sollten sich daher umfassend über das Krankheitsbild informieren und sich entsprechend beraten lassen. Betroffene brauchen vor allem aufrichtiges Verständnis, Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltags sowie soziale Integration – mit Mitleid ist ihnen wenig geholfen. Der Nutzen von Selbsthilfe ist allgemein akzeptiert. Betroffene, deren Angehörige und andere Bezugspersonen profitieren direkt und indirekt von Selbsthilfeangeboten vor Ort und auch gemeinsamen Aktivitäten.

Quellen

Der Text basiert u. A. auf Textgrundlagen der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen: www.dgbs.de Psychische Erkrankungen – Klinik und Therapie Mathias Berger Urban & Fischer 2. Auflage 2004

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